Sinefonia
Christine Anderson
Komponieren zwischen Reihe, Aleatorik und Improvisation
Franco Evangelistis Suche nach einer neuen Klangwelt
Sinefonia, Band 18
Franco Evangelisti (1926–80) war ein unbequemer Zeitgenosse: unerbittlich in seiner offenen Kritik des Musikbetriebes, kompromisslos in seinen kompositorischen Entscheidungen, rastlos in seinem Bemühen, die Situation der Neuen Musik in Italien zu verbessern. Im Jahre 1964, im Alter von nur 38 Jahren, unterbrach er seine kompositorische Arbeit, um ein Buch zu schreiben, das die Utopie einer neuen Klangwelt heraufbeschwor. Bis dahin hatte er innerhalb von zehn Jahren wenige hochkonzentrierte Werke geschaffen, die seine Musiker und sein Publikum mit den Grenzen ihrer Hörerwartungen konfrontierten: mit Geräuschklängen, mit dem Schweigen, mit freier Improvisation.
Nach seinem Verstummen als Komponist war Evangelisti unermüdlich als Organisator der Neuen Musik tätig. Mit der Gründung von Konzertreihen, Festivals und Zeitschriften in Rom und Palermo gab er der Neuen Musik Italiens eine Stimme, die weit über die Landesgrenzen hinaus wahrgenommen wurde. Die von ihm gegründete Gruppe Nuova Consonanza wurde zum Vorbild für zahlreiche Ensembles, die sich mit gelenkter Improvisation beschäftigen. Sein verfrühter Tod im Jahr 1980 hat zusätzlich zur Legendenbildung beigetragen.
Evangelistis kompositorische Werke zwischen 1954 und 1964 gelten als hochkonzentrierte Miniaturen voller Rätsel. Nach dem Studium der Kompositionsskizzen kann nun die Genese dieser enigmatischen Werke im Detail offengelegt werden. Evangelistis Weg vom seriellen Komponieren über aleatorische Ansätze bis zur gelenkten Gruppenimprovisation, sein Ringen um ästhetische Eigenständigkeit, wird damit nachvollziehbar. Ergänzt durch zahlreiche Briefe und Dokumente aus italienischen und deutschen Archiven, entsteht das Bild einer vielschichtigen Komponisten-Persönlichkeit europäischen Formats.
432 S., Notenbeisp., Faks., Pb., € 49.–, 978-3-936000-78-8