Matteo Nanni
Politik des Hörens
Zur Lesbarkeit Luigi Nonos
Die Idee dieses Buches rührt von der Überzeugung her, dass das Hören als ein Vermögen aufgefasst werden kann, das zum Politischen disponiert, ausgerichtet und orientiert ist. Der Ausdruck Politik des Hörens ist im Sinne eines Genitivus subjectivus zu lesen, womit das Hören von Musik als eine sinnlich-intellektuelle Haltung begriffen und diskutiert wird, der selbst eine eigene politische Valenz innewohnt. Im Fokus dieses Buches, das aus dem Nachdenken über die Rolle des Hörens im Werk des Komponisten Luigi Nono entstanden ist, steht somit weder das ästhetische Tun im Sinne einer unmittelbar politischen Intervention, noch die Auseinandersetzung mit der politischen Position des Komponisten: Vielmehr geht es darum, jene Dis-Position zum Politischen, zu der das Hören von Nonos Musik auffordert, theoretisch zu erfassen und an ausgewählten Beispielen zu diskutieren. Im Grunde spielte sich das Politische in Nonos Musik gar nicht so sehr in der unmittelbaren Referenzialität auf Reales, sondern vielmehr im „Weltbezug“ (Albrecht Wellmer) des Klanges selbst ab, in der kompositorischen Konkretion, in der Einladung anders und Anderes zu Hören. Nonos Musik disponiert zum Hören und das Hören ist bei ihm immer auch Dis-Position zum Politischen. Das Politische in Nonos Musik kommt immer erst ans Licht, wenn die Zuhörer:innen sich im Hören der Musik selbst ausgehend von einer „Aufteilung des Sinnlichen“ (Jacques Rancière) als hörende „Gemeinschaft“ (Jean-Luc Nancy) begegnen und dabei ihre pluralen Erfahrungen teilen: Das Politische des Hörens liegt demzufolge darin, Sinn miteinander zu teilen. Denn, wie Hannah Arendt formuliert hat: „Politik entsteht im Zwischen und etabliert sich als Bezug“. Die subversive Potentialität der Politik des Hörens besteht in dem In-Beziehung-Treten selbst der Zuhörer:innen und im diskursiven Verhandeln über die eigene Dis-Position zum Politischen: Denn das Politische der Musik liegt im Mit-ein-ander-hören.
280 S., pb., € 32.–, 978-3-95593-133-9