The Foundations of Contemporary Composing

Während in der Musik der traditionellen Dur-Moll-Praxis Begriffe wie Thema oder Motiv, Phänomene wie Linie oder Melodie sowie Systeme von Syntax und Rhythmus im Allgemeinen als selbsterklärend gelten, wird in der post-traditionellen Musik (also der Neuen Musik seit 1945) die Frage nach entsprechenden, die musikalische Oberfläche sinnvoll formenden Mitteln selten reflektiert und häufiger verdrängt. Zwar gibt es eine Fülle dogmatischer Antworten – ob formalistische Systeme oder restaurative Mythenbildung –, die behaupten, das Problem sei längst gelöst, doch stellt sich die Frage, ob willkommen oder nicht, immer wieder neu. Diese Verdrängung lässt sich klar auf einen entscheidenden Moment der Nachkriegsavantgarde zurückführen: den „Nullpunkt“ des Punktualismus. Dies war zweifellos eine extreme Position, die grundlegende, wenn auch schwierige Fragen einer musikalischen Typologie der Gestalten bestenfalls aufschieben konnte. Angesichts der stilistischen Ausdifferenzierung der Komposition in den letzten Jahrzehnten und der an vielen Orten vital geführten Suche nach einer neuen Morphologie stellt sich heute umso dringlicher die Frage: Was kann „Figur“, „Geste“, „Melodie“, „Motiv“ usw. heute bedeuten? Es geht um das, was mehr ist als bloßer Klang, aber noch nicht Ausdruck oder Bedeutung.

Musical Morphology versammelt verschiedene Perspektiven auf diese Frage von einem internationalen Kreis von Komponist:innen, die das Thema im Licht ihrer eigenen künstlerischen Praxis beleuchten. Ein zusätzlicher Essay zur musikalischen Dekonstruktion formuliert die Grundprobleme der Morphologie auf theoretisch neue Weise. Die Beitragenden dieses Bandes sind: Mark André, Aaron Cassidy, Sebastian Claren, Sidney Corbett, Frank Cox, Andreas Gürsching, Wieland Hoban, Claus-Steffen Mahnkopf, Chris Mercer, Giorgio Netti, Wolfram Schurig und Steven Kazuo Takasugi.

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