Michael Roth

Aufs Spiel gesetzt

Eine spieltheoretische Untersuchung indeterminierter Musik

Die Ambivalenz des Spiels zwischen Regulierung und Handlungsermächtigung prägt die Kunst, die Pädagogik und wissenschaftliche Diskurse seit Jahrhunderten. Parallel zur Kommunikations- und Systemtheorie gewinnt im Kalten Krieg die Game Theory an Einfluss und ermöglicht die Analyse und Regelung indeterminierter Vorgänge. John Cage und sein Umfeld rezipieren diese neuen Theorien und wenden sie auf ästhetische Prozesse, Institutionen und selbst Diskursformate an. Ein Schlüsselereignis ist Composition as Process, drei Lecture-Performances von Cage und David Tudor mit den Titeln Changes, Indeterminacy und Communication an den Darmstädter Ferienkursen 1958.

Michel Roths Studie entwickelt ein spiel- und systemtheoretisches Instrumentarium, das einerseits musikanalytisch, anderseits diskursanalytisch musikalische Indeterminacy und die damit verbundenen Praxen und ästhetischen Positionen beschreiben und kritisch vergleichen lässt, historiographisch und systematisch angewandt auf zahlreiche Fallbeispiele der 1950er- bis 1970er-Jahre, z. B. David Tudor, Sylvano Bussotti, Henri Pousseur, Iannis Xenakis, Vinko Globokar, Cornelius Cardew, Christian Wolff, Robert Rauschenberg, George Brecht, die Gruppe Selten gehörte Musik, John Zorn und Hans Wüthrich. Diese ästhetischen Praxen implizieren einerseits Befreiungsmetaphern („Loslassen des Spiels“), anderseits „als Spiel getarnte Lenkungsmechanismen“, wie sie in McKenzie Warks Gamer Theory oder Mary Flanagans Radical Game Design kritisch diskutiert werden.

Nebst einer innovativen Methodologie erschliesst das Buch zahlreiche neue Quellen und schlägt eine Brücke zu gegenwärtigen Anwendungen von Spiel, Spieltheorie und Game Design in Komposition, Improvisation, Performance und Musikforschung.

Michel Roth (*1976) ist Komponist und Professor für Komposition, Musiktheorie und Artistic Research an der Hochschule für Musik Basel (FHNW). Er forscht und publiziert über die musikalische Anwendung von Spieltheorie und Kybernetik (Promotion an der Universität Basel), Musik als Modell künstlerischer Kollaboration (Dieter Roth), Organologie der zeitgenössischen Musik und alpine Klangsoziologie („Singende Seile“).

Open Access

E-Book: 524 S., PDF, Open Access, 978-3-95593-152-0
Sprache: Deutsch

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